Produktbeschreibung
Als ich noch ein sehr kleiner Bube war, saß ich gerne auf dem großen viereckigen Steine, der auf unserer Gasse neben der Haustür lag. Ich weiß nicht, wie alt ich damals war, aber das weiß ich, daß die Freude und Pein des Schulgehens und Lernens erst lange darnach anfing. Der Stein, auf dem ich so gerne saß, und auf dem manchmal abends, wenn ich schon in meinem Bettchen liegen mußte, auch junge Bursche und Mädchen gerne saßen und Lieder sangen, hatte wohl an seinen Seitenflächen manche Rauhigkeit und unebene Aushauungen, war aber an der obern Fläche von dem vielen Sitzen so glatt, wie eine feine kunstreiche Glasur. Wie manche uralte Greise, welche vor vielen, vielen Jahren aus unserem Hause gestorben waren, und oben im Kirchhofe schlummerten, mochten als Knaben auf dem Steine gesessen sein, wie ich. Man wußte gar keine Zeit, wann er einmal gelegt worden war. Wenn jeder unserer Vorfahren ein unterscheidbares Merkmal auf ihm hätte eindrücken können, so wäre der Stein ein weit in die Zeit hinauf reichendes Denkzeichen unserer Voreltern gewesen. Wenigstens waren die Tuffplatten, die ihm als Unterlage dienten, schon mit einem dicken Antritte von Erde belegt, und da, wo sie unter die Dachtraufen hinaus ragten und rein gewaschen waren, mit sehr tiefen Löchern versehen. Weil unser Haus nebst einigen andern ganz frei außerhalb der Ortschaft lag, konnte man von dem Steine weit und breit herumsehen, was auch die Ursache gewesen sein mochte, daß ich so gerne auf ihm saß. Gerade vor den Augen waren die Felder und Wiesen unseres Marktfleckens Oberplan, dann war das Dorf Hinterstift, dann waren die weißen Täfelchen des Dorfes Glöckelberg, und endlich war der lange blauliche Wald, von dem ich mir oft gedacht hatte, wenn man auf den höchsten Baum desselben hinaufstiege, müßte man den Himmel angreifen können. Von diesem Walde sah ich die Wolken und Gewitter herkommen, und auf dem Wege, der nicht weit von unserem Hause vorüber ging, sah ich Herden, Hausierer, Arbeiter vorüber gehen,und die Menschen ihr Getreide und andere Dinge nach Hause führen. Manchmal kam auch ein Mann, von seltsamer Art. Er schob immer auf der Hossenreuther Straße einen Schubkarren herauf, auf dem ein glänzendes schwarzes Fäßchen lag. Der Schubkarren war selber auch schwarz und glänzte. Der Mann hatte einen breiten Hut auf, unter dem hinten lange Haare bis auf den Nacken hinabfielen, vorne zwei freundliche Augen aus einem sonnverbrannten Angesichte herausschauten. Er hatte zwar nicht eben schwarze Kleider an, aber sie waren doch nach und nach schwarz geworden, und glänzten an verschiedenen Stellen, wenn die Sonne darauf schien, als wäre er mit Fett eingeschmiert worden. Dieser Mann schrie gerne etwas, wenn er in die Nähe unserer Häuser kam, was ich aber nie verstand. Hierauf fuhr er bis unserer Gasse gegenüber, lenkte dann ab, schob vollends herzu, und blieb mit seinem Fuhrwerke nicht weit von unserem Gassensteine stehen. In Folge seines Schreiens, das sie schon verstanden, kamen nun verschiedene Nachbarn mit allerlei schwarzen Geschirren, meistens kleinen Fäßchen herbei, und gaben dem Manne Geld, worauf er ihnen in eine kleine Kanne, die er an dem Schubkarren hängen hatte, eine dunkelbraune zähe Materie, die ich recht gut als Wagenschmiere erkannte, herabließ und sie ihnen in ihre Gefäße hinein maß. Wenn Alles vorüber war, schlug er den Zapfen wieder fest, richtete sich zusammen, wendete links, und schrotete sein Faß wieder weiter. Ich war bei diesem Vorgange jedes Mal zugegen; denn wenn ich auch nicht oben auf dem Steine saß, da der Mann kam, so hörte ich doch so gut, wie die Andern, sein Schreien, oder sah die Nachbarn mit ihren Gefäßen herbeikommen, und war daher gewiß eher auf der Gasse und auf meinem Steine, ehe er vollends herzu schob, und mit seinem Fasse hielt.