Produktbeschreibung
Die geschlechtsspezifische Differenzierung von Spermien mit Hilfe der Durchflusszytometrie ist ein anspruchsvoller Prozess, der zu einer physikalischen Belastung der Spermien führt und eine geringere Lebensfähigkeit und Fruchtbarkeit zur Folge hat. Daher sollte in der vorliegenden Arbeit der Einfluss verschiedener Spermaaufbereitungen auf die Integrität und Fruchtbarkeit geschlechtsspezifisch differenzierter Spermien untersucht werden. Unter anderem wurde überprüft, wie sich Sexcess® (Masterrind, Verden, Deutschland), ein adaptiertes Sortier- und Einfrierprotokoll, auf diese Parameter auswirkt. Bei einer Variante dieses Protokolls, Sexcess®FX, wurden die Spermien in Anwesenheit von Natriumfluorid (NaF) sortiert. Es sollte untersucht werden, ob die hiermit zu erreichende reversible Immobilisierung der Spermienmotilität positive Einflüsse auf die Lebensfähigkeit der Spermien hat. Neben spermatologischen Untersuchungen wurde ein Feldversuch durchgeführt. Zunächst wurde der Einfluss verschiedener Auftauverfahren auf die Lebensfähigkeit tiefgefrorener und wieder aufgetauter Spermien untersucht. Dazu wurden jeweils sechs Ejakulate von drei Bullen in zwei Versuchsgruppen aufgeteilt. Ein Teil des Spermas wurde nach dem Sexcess®-Protokoll sortiert und eingefroren (Sx). Der zweite Teil diente als Kontrolle und enthielt nicht sortiertes Sperma, was allerdings ebenfalls mit den Sexcess® Verdünnern verarbeitet wurde (KontSx). Zusätzlich stand von drei der Bullen sortiertes zugekauftes Sperma zur Verfügung (CS). Die unterschiedlichen Spermaaufbereitungen wurden entweder für 40 Sekunden bei 35°C, 20 Sekunden bei 38°C oder 5 Sekunden bei 70°C aufgetaut. Für den Feldversuch wurden insgesamt fünf Bullen getestet, von denen vier in die Auswertung einbezogen werden konnten. Es wurden fünf verschiedene Versuchsgruppen in einem Split-sample-Verfahren untersucht. Von jedem Ejakulat wurde eine unsortierte Kontrolle mit einem herkömmlichen TRIS-Eigelbverdünner erstellt, wobei jede Besamungsportion 15x106 Spermien enthielt (KontTE). Diese Gruppe entsprach der Spermaaufbereitung, wie sie für konventionelle Besamungen in der Praxis eingesetzt wird. Des Weiteren wurde von jedem Sprung eine Kontrolle mit 3,5x106 Spermien pro Besamungsportion abgefüllt, die mit den Tiefgefrierverdünnern von Sexcess® eingefroren wurde (KontSx). Ein dritter Teil des Ejakulats wurde für die Erstellung einer der beiden im eigenen Labor produzierten Gruppen geschlechtsspezifisch differenzierter Spermien genutzt. Hier kam entweder das Sortier- und Einfrierprotokoll Sexcess® (Sx) oder Sexcess®FX (SxFX) zum Einsatz. Diese Gruppen enthielten ebenfalls 3,5x106 Spermien, was im Durchschnitt 2,0x106 motilen Spermien entsprach. Die Proben des Vergleichsspermas „CS“ enthielten die z.Zt. übliche Menge von insgesamt 2,0x106 Spermien pro Besamungsportion. Von jedem Probenset einer sortierten tiefgefrorenen und wieder aufgetauten Spermaprobe wurde vor dem Besamungseinsatz ein Thermoresistenztest über sechs Stunden bei 37°C durchgeführt. Unmittelbar nach dem Auftauen sowie nach drei- und sechsstündiger Inkubation wurde die Motilität mittels eines CASA-Systems und die Membranintegrität (SYBR® 14/Propidiumiodid-Färbung) im Durchflusszytometer gemessen. Direkt nach dem Auftauen wurde zusätzlich eine morphologische Untersuchung im Phasenkontrastmikroskop durchgeführt. Zu Beginn des Thermoresistenztests sowie nach dreistündiger Inkubation erfolgte eine Spermienchromatinstrukturanalyse (SCSATest). Die Untersuchungen führten zusammenfassend zu folgenden Ergebnissen: 1) Zwischen den Auftauverfahren bestand kein signifikanter Unterschied bezüglich Motilität, Membranintegrität und Morphologie. Für die weiteren Untersuchungen und den Feldversuch konnte somit ein einheitliches Auftauverfahren angewandt werden, ohne negative Effekte auf die Lebensfähigkeit der Spermien hervorzurufen. Daher wurden die Spermien in allen Versuchen für 20 Sekunden bei 38°C aufgetaut. Unabhängig vom Auftauverfahren unterschieden sich die drei eingesetzten Spermaaufbereitungen signifikant voneinander. Nach sechs Stunden im Thermoresistenztest lag die Motilität bei der Gruppe KontSx bei 38,8 ±2 ,0%, in der Gruppe Sx bei 21,9 ± 2,0% und in der Gruppe CS bei 0,4 ± 3,0%. 2) Im Thermoresistenztest zeigten sowohl die sortierten als auch die nicht sortierten Versuchsgruppen, die nach Sexcess® (KontSx, Sx, SxFX) verarbeitet wurden, deutlich bessere Spermaqualitäten als die Gruppen KontTE und CS. Zusätzlich konnte ein positiver Einfluss auf die Spermatologie durch das Sortieren der Spermien in Anwesenheit von NaF beobachtet werden. So beliefen sich die Motilitätswerte nach sechsstündiger Inkubation bei 37°C für die Gruppen KontSx, Sx, SxFX auf 59,2 ± 1,8% vs. 38,2 ± 2,0% vs. 46,9 ± 2,5%. In der Kontrollprobe KontTE reduzierte sich die Motilität auf 9,0 ± 2,1%. In Proben der zugekauften Gruppe CS betrug die Motilität nach sechs Stunden im Haltetest lediglich 1,0%. 3) Für den Besamungsversuch wurden insgesamt 2331 tiefgefrorene Besamungsportionen an 19 konventionell arbeitende Milchviehbetriebe ausgegeben. Pro Bulle und Versuchsgruppe wurden mindestens 100 Besamungsportionen für Erstbesamungen bei Färsen eingesetzt, wobei allerdings nicht in jeder Versuchsgruppe alle Bullen vertreten waren. Alle Besamungen erfolgten zu dem in der Praxis für konventionelles Sperma üblichen Besamungszeitpunkt. Das Sperma wurde im Uteruskörper oder, sofern eine Follikelkontrolle durchgeführt wurde, im distalen Ende des ipsilateral zum ovulationsbereiten Follikel liegenden Uterushorns abgelegt. Nach dem Einsatz der mit Sexcess® eingefrorenen nicht sortierten Kontrollen (Gruppe KontSx) wurde ein Trächtigkeitsergebnis von 76,9% erreicht. Obwohl diese Gruppe nur 3,5x106 Spermien pro Besamungsportion enthielt, unterschied sich das Ergebnis nicht von der Gruppe KontTE (77,3%), bei der 15x106 unsortierte Spermien pro Besamungsportion abgefüllt wurden. In den Gruppen Sx (58,3%) und CS (64,8%) wurden vergleichbare Trächtigkeitsraten erzielt. Das Ergebnis der Gruppe SxFX lag hingegen bei 44,2%. Korrelationen zwischen den im Labor ermittelten Spermaqualitäten und den Trächtigkeitsergebnissen wurden nicht festgestellt. Die Geschlechterverteilung der geborenen Kälber wurde durch den Einsatz sortierten Spermas deutlich verschoben. Der Anteil weiblicher Kälber lag in der Gruppe KontTE bei 46,1% und in der Gruppe KontSx bei 50,5%. In den Gruppen mit sortiertem Sperma wurden hingegen 85,9% (Gruppe SxFX), 87,4% (Gruppe CS) bzw. 89,1% (Gruppe Sx) weibliche Kälber geboren. Die Auswertung der Daten zeigte darüber hinaus, dass der Einsatz von sortiertem Sperma zu einer geschlechtsspezifischen Verschiebung der Totgeburtenrate führte. Bei den weiblichen Kälbern lag der Anteil totgeborener Tiere nach dem Einsatz nicht sortierten Spermas bei 10,8% sowie bei 6,7%, wenn die Kälber aus sortiertem Sperma stammten. Die Totgeburtenrate stieg bei den männlichen Kälbern aus sortiertem Sperma hingegen auf 44,2%. Nach dem Einsatz konventionellen Spermas kamen 12,6% der männlichen Kälber tot zur Welt oder verendeten innerhalb der ersten 48 Stunden. Die Trächtigkeitsdauer unterschied sich in den nach Sexcess® sortierten Gruppen nicht gegenüber den Kontrollen. So lag diese zwischen 278,7 ± 0,3 Tagen in der Gruppe KontSx und 279,4 ± 0,7 Tagen in der Gruppe SxFX. Lediglich in der Gruppe CS dauerten die Trächtigkeiten nur 275,8 ± 0,7 Tage. 4) Da die Tiefgefrierung den Funktionszustand sortierter Spermien zusätzlich schädigt, kann es sinnvoll sein, geschlechtsspezifisch differenziertes Sperma als Frischsperma anzubieten. Daher wurde in einem weiteren Versuch die optimale Lagerungstemperatur von sortiertem Frischsperma ermittelt, welches mit der neuen Frischspermavariante von Sexcess® verarbeitet wurde. Dazu wurden jeweils fünf Ejakulate von fünf Bullen verwendet. Die Aufbewahrung der geschlechtsspezifisch differenzierten Proben erfolgte bei 5°C, 12°C und 15°C. Sowohl nach drei als auch nach fünftägiger Lagerung wurde ein Thermoresistenztest über sechs Stunden bei 37°C durchgeführt. Nach dreitägiger Lagerung bei 5°C, 12°C und 15°C sowie sechs Stunden im Thermoresistenztest lag die Motilität der Spermien bei 19,6 ± 2,7% vs. 44,2 ± 2,7% vs. 42,8 ± 2,8%, die Membranintegrität bei 46,4 ± 1,7% vs. 62,7 ± 1,7% vs. 68,0 ± 1,7% sowie der Anteil morphologisch intakter Spermien bei 36,9 ± 2,1% vs. 54,1 ± 2,1% vs. 60,3 ± 2,1%. Die fünftägige Lagerung führte hingegen zu deutlich geringeren Spermaqualitäten. Daraus wurde die Empfehlung abgeleitet, sortierte Frischspermien innerhalb von drei Tagen nach Sortierung einzusetzen und bei einer konstanten Temperatur von 14°C±1°C zu lagern.