Produktbeschreibung
In der „Henndorfer Pastorale“, der elegischen, zuweilen wehmütigen Schilderung seiner Heimkehr in den behäbigen Flachgauer See-Ort, der ihm in der Zwischenkriegszeit so lange Refugium und Stätte fruchtbarsten Schaffens gewesen war, erinnerte sich Carl Zuckmayer eines Bübleins, das er im Hause Johannes Freumbichlers angetroffen hatte, seines Freundes Enkel Thomas Bernhard, der beim Großvater die schönsten Jahre seiner sonst eher überschatteten Kindheit verbracht habe und seither selbst zu einem der bedeutendsten jüngeren Autoren deutscher Sprache herangereift sei. Nicht erwähnt Zuckmayer in diesem Zusammenhang, daß er selbst es war, der den jungen, nach schwerer langer Krankheit genesenden Thomas Bernhard zum Schreiben ermutigt und ihm den Weg zu einem schreibenden Beruf geebnet hatte, wie ja auch der schöne Roman „Philomena Ellenhub“ des Großvaters Freumbichler Carl Zuckmayers Intervention bei Zsolnay das Licht der Öffentlichkeit, der Autor aber Erfolg und späte Anerkennung verdankte. Auf einen Hinweis Carl Zuckmayers hatte der damalige Chefredakteur des „Demokratischen Volksblatts“, des Organs der Sozialistischen Partei Salzburgs, Josef Kaut, Bernhard zu gelegentlicher Mitarbeit eingeladen, wobei zunächst Versuche in der Gerichtssaalberichterstattung vorgesehen waren. In den biographischen Angaben von Bernhards Verlagen ist nachzulesen, daß der Autor einige Jahre Gerichtssaalberichterstatter des „Demokratischen Volksblatts“ in Salzburg gewesen sei, und er selbst hat dies später mehrfach selbst bestätigt. Richtig ist, daß Thomas Bernhard zwischen Jänner 1952 und Dezember 1954 in diesem Blatt rund hundert Gerichtssaalberichte verfaßt hat. Sie waren nach der damaligen Übung des Blattes nicht gezeichnet. Ich habe also nur jene gezählt, die ich auf Grund persönlicher Erinnerung und von Stilanalysen eindeutig diesem Autor zuordnen konnte. Wahrscheinlich ist deshalb ihre Zahl noch größer gewesen. Bernhards Berichte hielten sich durchgehend an die beim „Demokratischen Volksblatt“ entwickelte Form des Gerichtssaalfeuilletons, der häufig humorvollen, immer menschlichen, zuweilen sozialkritischen Schilderungen von kleinen Streit- und Straffällen, wie sie vor österreichischen Bezirks- und Einzelrichtern täglich abgehandelt werden. Bernhards Feuilletons erweisen sich als recht interessante Quellen, aus denen sich die Entwicklung stilistischer Eigenheiten ebenso wie die mancher seiner Lebenseinstellungen, seiner Gedankengänge erkennen läßt. Thomas Bernhards journalistische Tätigkeit ist aber beim „Demokratischen Volksblatt“ weit über die Gerichtssaalberichterstattung hinausgegangen, so stark ihn die dabei gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen auch für seine spätere Arbeit geprägt haben mögen. Immer wieder findet man ja in Bernhards Oeuvre Hinweise auf Gericht und Gerichtspersonen, wie den Senatsvorsitzenden Zamponi in seinem „Stimmen-Imitator“, dessen Vorbild, der hochangesehene damalige Staatsanwalt und spätere Oberlandesgerichtspräsident Dr. Reinulf Zamponi, ihm bei Strafverhandlungen vor dem Salzburger Landesgericht begegnet war. Einen wesentlich größeren Umfang als die Gerichtssaalberichte nehmen nämlich während Bernhards journalistischer Lehrjahre Reportagen über lokale und kulturelle Themen, Rezensionen literarischer Veranstaltungen und von kleineren Theateraufführungen, Erzählungen und schließlich mehrere kulturpolitische Aufsätze ein, die wohl noch zur Gänze ihrer wissenschaftlichen Analyse harren. Wertvolle Aufschlüsse über Bernhards Persönlichkeit und sein späteres Werk mögen aus diesen Ergebnissen journalistischer Tagesarbeit zu gewinnen sein, die im Alter von 21 bis 24 Jahren entstanden sind …