Produktbeschreibung
Hintergrund: In Fließgewässern ist Ausgasung aus der Wasserphase der wichtigste Verlustprozess für einige organische Chemikalien. Die Kinetik der Ausgasung hängt von Substanzeigenschaften (Diffusivität, Luft/Wasser-Verteilungskoeffizient Kaw) und Umweltbedingungen (Fließgeschwindigkeit, Temperatur, Windgeschwindigkeit, Geometrie des Flussbettes, Rauhigkeit des Gewässergrundes) ab. Experimentelle Untersuchungen der Ausgasung liegen bislang nur im Labormaßstab vor. Ziel und Fragestellung: Eine systematische Untersuchung der Ausgasung von Referenz- Chemikalien aus fließenden Wasserkörpern. Welchen Einfluss haben Wassertemperatur, Fließgeschwindigkeit und weitere hydraulische Bedingungen auf die Ausgasung? Material und Methoden: Die Ausgasung wurde an der Fließ- und Stillgewässersimulationsanlage (FSA) des Umweltbundesamtes (UBA) in Berlin- Marienfelde untersucht. Dabei wurden einzelne Umweltbedingungen separat und möglichst kontrolliert variiert. Die Experimente wurden in umlaufenden Rinnen (Länge 104 bzw. 154 m, Breite 1 m) durchgeführt. Mit Hilfe einer Schneckenpumpe wurden konstante Fließgeschwindigkeiten im Bereich 0,15-0,45 m/s eingestellt. Die Wassertemperatur war nicht regelbar, wurde aber kontinuierlich aufgezeichnet. In einigen Rinnen wurden die hydraulischen Bedingungen variiert, z.B. durch die Befüllung mit Sediment. Über Vorlagebehälter wurden vier leichtflüchtige Substanzen (MTBE, Ethylbenzol, 1,2- und 1,3- Dichlorpropan) und vier weniger flüchtige Substanzen (2-Methyl-1-Propanol, 2-Methyl-1- Butanol, Cyclopentanol, Cyclohexanol) homogen in den Wasserkörper (30 bzw. 45 m³) eingemischt und dann in regelmäßigen Abständen Wasserproben genommen. Die Analyse erfolgte mittels Headspace-GC/MS nach Zugabe von internen Standards. Durch exponentielle Regression wurde die Ratenkonstante der Ausgasung ermittelt, aus der sich nach Multiplikation mit der Wassertiefe die spezifische Ausgasungsgeschwindigkeit (vaw in m/s) ergibt. Ergebnisse: Für die leichtflüchtigen Substanzen wurden relativ kurze Halbwertzeiten zwischen 4 und 32 Stunden beobachtet. Die Ausgasung der Methyl-Alkohole sowie der zyklischen Alkohole war wesentlich langsamer mit Halbwertszeiten zwischen 2 und 40 Tagen. Die Modellierung erfolgte mit einem erweiterten Grenzschichtmodell von Deacon (1977): 1/vaw = 1/vw + 1/(va * Kaw) wobei vw und va die phaseninternen Geschwindigkeiten in Wasser bzw. Luft sind. Der Luft/Wasser-Verteilungskoeffizient Kaw wurde temperaturabhängig mittels pp-LFERGleichungen (poly-parameter Linear Free Energy Relationships) abgeschätzt (Goss, 2006). Der wasserseitige Widerstand 1/vw steht in Abhängigkeit vom Diffusionskoeffizienten in Wasser, Viskosität von Wasser, Fließgeschwindigkeit, hydraulischem Radius und Flussbettrauhigkeit. Der luftseitige Widerstand 1/va steht in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit (in 10 m Höhe), der Fließgeschwindigkeit und dem Diffusionskoeffizienten in Luft. Mittels nicht-linearer Optimierung wurde das Modell gefittet, wobei nur zwei Regressionskonstanten und fünf verschiedene Flussbettrauhigkeiten angepasst wurden. Die beste Anpassung des Modells ergab sich bei 0,157 für die erste Regressionskonstante - dies ist nur geringfügig niedriger als der von Moog & Jirka (1999) angegebene Wert von 0,161. Diskussion: Für die leichtflüchtigen Substanzen wurde ein deutlicher Effekt der Fließgeschwindigkeit beobachtet, was vermutlich auf die Beeinflussung des wasserseitigen Widerstands durch die Turbulenz an der Grenzschicht zwischen Luft und Wasser zurückzuführen ist. Besonders für MTBE verlangsamte sich beim Minimum der Wassertemperatur von 5°C die Ausgasung, der Effekt war aber deutlich geringer ausgeprägt. Wegen der Temperaturabhängigkeit des Kaw kommt hier bei niedrigen Temperaturen zusätzlich der luftseitige Widerstand zum Tragen. Für die Ausgasungsgeschwindigkeit der Alkohole ist vor allem der Kaw von Bedeutung. Der luftseitige Widerstand wird nicht nur durch den eigentlichen Wind, sondern auch durch den „relativen Wind“ der Wasserströmung indirekt vermindert. Schlussfolgerungen: Insgesamt lässt sich sagen, dass mit Ausnahme des Kaw die Variabilität der Umweltbedingungen eine größere Rolle für die Ausgasung organischer Chemikalien spielt als die Variabilität der Substanzparameter. In Fließgewässern unterliegen deutlich mehr Substanzen einer luftseitigen Kontrolle als dies in stehenden Gewässern der Fall ist. Somit liegt in Fließgewässern der kritische Kaw bei etwa 0,03 statt bei 0,001. Die FSA ist zur Untersuchung der Ausgasung von leichtflüchtigen Substanzen gut geeignet. Für schwerer flüchtige Substanzen wie zyklische Alkohole sind die Ausgasungsgeschwindigkeiten zu langsam, so dass eine Verfälschung durch langfristige Temperaturänderungen möglich ist.