Produktbeschreibung
Wenn wir uns an die Herausgabe einer eigenen Reihe unter dem Titel Europa erlesen wagen, dann haben wir das Europa von Island bis Griechenland, von Portugal bis zum Baltikum und zu den Karpaten vor Augen. Mit diesen Worten kündete Verleger Lojze Wieser 1997 in einem Ante Scriptum die geographische Spannweite einer neuen Reihe von literarischen Anthologien zu den Regionen Europas an. Zwei Jahre später setzt der vorliegende Band über Island bereits das in nördlicher Richtung weiteste Ausgreifen dieses Vorhabens um. Um einen Grenzraum also geht es, um ein Land an der äußersten Peripherie. In der Tat scheint Island aus mitteleuropäischer Sicht selbst heute noch vielen kaum mehr als ein ferner, undeutlicher Schemen, eine von merkwürdigen Naturphänomenen gekennzeichnete Nebelinsel weit draußen im Weltmeer zu sein. Dabei dürfte es kaum ein zweites europäisches Land geben, über dessen früheste Geschichte man aus verlässlichen Schriftquellen derart vom ersten historischen Tag an informiert ist. Der Vulkanismus und die heißen Quellen, das ewige Eis, die als Ursprünglichkeit interpretierte Rückständigkeit der von Naturkatastrophen heimgesuchten Bewohner, das vermeintlich germanische Erbe, die unberührte Natur: die Anreize für Islandreisende wechselten, die Islandsehnsucht mit ihren verzerrten Wunschvorstellungen blieb. Und was setzten die Isländer dagegen, von uneingeladen dahergereisten Fremden entweder als 'Edle Wilde' bestaunt oder, wie etwa von dem Kulturkritiker Max Nordau, im Umschlag als degenerierte "Nachkommen germanischer Kriegerstämme, schmutzig, klein und zerlumpt" verhöhnt zu werden? - Ihre hohe Bildung und vor allem die überlegene Ironie einer alten Kultur- und Literaturnation. "Jedes Bergtal ... die Flüsse, die Lavafelder und Sande, sogar das Moor und die Heide - das ganze Land bebt von der literarischen Überlieferung. Nach einem tausendjährigen Zusammenleben mit epischen Menschen ist die ganze Landschaft von Literatur durchdrungen." So schrieb es der isländische Nobelpreisträger für Literatur, Halldór Laxness, Ende der Fünfziger Jahre einem deutschsprachigen Bildband über seine Heimatinsel ins Stammbuch. Einige Glanzlichter aus diesem nicht immer spannungsfreien, aber oft spannenden Dialog zwischen aus- und inländischen literarischen Islandbildern zusammen- und manchmal auch gegeneinander zu stellen, ist das Anliegen dieses Bändchens, aus dem es hoffentlich den Reiz für seine Leser bezieht.